Therapie bei Kindern und Jugendlichen

Grundlage aller Interventionen:

Psychoedukation

Indikation:

  • Wird immer durchgeführt, ist Grundlage aller weiteren Interventionen

Anlass:

  • Diagnose von ADHS und Beginn therapeutischer Interventionen

Ziele und Maßnahmen:

  • Erfassen der subjektiven Störungskonzepte und Interventionserwartungen von Patienten und Bezugspersonen
  • Vermittlung von Kenntnissen zu Diagnose, Ursache, Prognose und zu Behandlungsoptionen bei Patient und Bezugspersonen, auch unter Einsatz schriftlicher Materialien
  • Erarbeitung eines gemeinsamen Störungskonzeptes und eines gemeinsamen Interventionsplanes unter Anwendung therapeutischer Gesprächsführung, auch unter Einsatz schriftlicher Materialien
  • Erkennen und Bearbeiten von Sorgen im Zusammenhang mit der Diagnose und Verminderung der subjektiven Belastungen
  • Aufbau günstiger Erziehungsstrategien bei Bezugspersonen und Strategien zum Umgang mit konkreten Alltagsproblemen durch Strukturierung der Abläufe in der Familie, im Kindergarten / in der Schule, durch positive Zuwendung bei angemessenem Verhalten, durch angemessene Aufforderungen und Grenzsetzungen in einer eindeutigen Weise
  • Verminderung von problemaufrechterhaltenden Bedingungen in der Familie, dem Kindergarten / der Schule und im weiteren psychosozialen Umfeld Aufbau und Stärkung von Änderungsmotivation beim Patienten und bei Bezugspersonen

Ergebnis:

  • Wenn die Symptomatik nicht hinreichend vermindert ist, Einleitung konkreter Therapieschritte
  • Wenn die Symptomatik hinreichend vermindert ist oder die Beteiligten keine Therapie wünschen, Beendigung der Intervention

Psychoedukation: Methoden und Materialien

Aufgrund der Situationsspezifität der Symptomatik muss die Therapie dort ansetzen, wo die Probleme auftreten, da die Generalisierung von Therapieeffekten von einem Lebensbereich auf den anderen bestenfalls unvollständig, meist gar nicht gelingt. Unterschieden wird zwischen patientenzentrierten (verhaltenstherapeutische und pharmokotherapeutische Interventionen), familienzentrierten und kindergarten- oder schulzentrierten Interventionen.

Verhaltenstherapie

Indikation:

  • Primäre Intervention bei leichtem bis mittleren Schweregrad der Symptomatik und damit einhergehender leichter bis mittlerer Funktionseinschränkung und einer hinreichenden Therapie-Compliance für Verhaltenstherapie. Beratung, Psychoedukation und Schulung von Patienten und Bezugspersonen sind Bestandteile der Verhaltenstherapie. Innerhalb der verhaltenstherapeutischen Interventionen sind familienzentrierte Interventionen (Elterntrainings) und kindergarten- / schulzentrierte Interventionen hauptsächlich durchzuführen.Patientenzentrierte Interventionen können ergänzend eingesetzt werden und gewinnen mit zunehmendem Alter der Patienten an Bedeutung.
  • Sekundäre Intervention (als Kombinationsbehandlung) bei behandlungsbedürftiger Residualsymptomatik oder komorbider Symptomatik bei teilweise erfolgreicher Pharmakotherapie und einer hinreichenden Therapie-Compliance für ergänzende Verhaltenstherapie.
  • Sekundäre Intervention (als Alternativbehandlung) nach erfolgloser Pharmakotherapie und einer hinreichenden Therapie-Compliance für Verhaltenstherapie.
  • Sekundäre Intervention bei starkem Schweregrad der Symptomatik, wenn Pharmakotherapie verweigert wird oder keine hinreichende Therapie-Compliance für Pharmakotherapie hergestellt werden konnte. In diesem Fall kann die Bearbeitung der Gründe für die Verweigerung / mangelnde Compliance für Pharmakotherapie auch ein Ziel verhaltenstherapeutischer Interventionen sein.

Anlass:

  • Diagnose von ADHS und Beginn therapeutischer Interventionen

Ziele:

  • Identifikation der zu verändernden Zielsymptome (bzgl. ADHS und komorbider Störungen) in der Familie, der Schule und im Freizeitbereich
  • Verminderung der Zielsymptomatik in der Familie
  • Verminderung der Zielsymptomatik in der Schule
  • Verminderung der Zielsymptomatik im Freizeitbereich

Maßnahmen:

  • Beratung, Psychoedukation und Schulung von Patienten und Bezugspersonen wie unter 4. beschrieben
  • Exploration und Festlegung der zu verändernden Zielsymptome in der Familie, der Schule und im Freizeitbereich
  • Familienzentrierte verhaltenstherapeutische Interventionen zur Verminderung der ADHS-Kernsymptome sowie komorbider Symptome in der Familie einschließlich Elterntraining
  • Kindergarten- oder schulzentrierte verhaltenstherapeutische Interventionen zur Verminderung der ADHS-Kernsymptome sowie komorbider Symptome in der Schule einschließlich Erzieher- / Lehrertraining
  • Patientenzentrierte verhaltenstherapeutische Interventionen zur Verminderung der ADHS-Kernsymptome sowie komorbider Symptome einschließlich Spiel-, Aufmerksamkeits- und Selbstmanagementtraining

Ergebnis:

  • Beendigung der Therapie, wenn die Symptomatik hinreichend vermindert ist, sich nicht weiter vermindern lässt oder die Beteiligten keine Therapie wünschen
  • Überprüfung der Indikation ergänzender oder alternativer Pharmakotherapie wenn eine behandlungsbedürftige Restsymptomatik besteht oder die Therapie nicht erfolgreich ist

Umfeldzentrierte verhaltenstherapeutische Interventionen: Methoden und Materialien

Beispielmaterialien (bis zum Alter von ca. 12 Jahren):

Indikation:

  • Primäre Intervention bei leichtem bis mittleren Schweregrad der Symptomatik und damit einhergehender leichter bis mittlerer Funktionseinschränkung und einer hinreichenden Therapie-Compliance für Verhaltenstherapie. Beratung, Psychoedukation und Schulung von Patienten und Bezugspersonen sind Bestandteile der Verhaltenstherapie. Innerhalb der verhaltenstherapeutischen Interventionen sind familienzentrierte Interventionen (Elterntrainings) und kindergarten- / schulzentrierte Interventionen hauptsächlich durchzuführen. Patientenzentrierte Interventionen können ergänzend eingesetzt werden und gewinnen mit zunehmendem Alter der Patienten an Bedeutung.
  • Sekundäre Intervention (als Kombinationsbehandlung) bei behandlungsbedürftiger Residualsymptomatik oder komorbider Symptomatik bei teilweise erfolgreicher Pharmakotherapie und einer hinreichenden Therapie-Compliance für ergänzende Verhaltenstherapie.
  • Sekundäre Intervention (als Alternativbehandlung) nach erfolgloser Pharmakotherapie und einer hinreichenden Therapie-Compliance für Verhaltenstherapie.
  • Sekundäre Intervention bei starkem Schweregrad der Symptomatik, wenn Pharmakotherapie verweigert wird oder keine hinreichende Therapie-Compliance für Pharmakotherapie hergestellt werden konnte. In diesem Fall kann die Bearbeitung der Gründe für die Verweigerung / mangelnde Compliance für Pharmakotherapie auch ein Ziel verhaltenstherapeutischer Interventionen sein.

Anlass: 

  • Spezifische Störungen von Aufmerksamkeit, Konzentration, Selbstorganisation oder anderer Funktionen.
    Hinweis: Die Wirksamkeit patientenzentrierter verhaltenstherapeutischer Interventionen und von symptomorientierter Entwicklungsförderung des Patienten zur Behandlung der ADHS-Kernsymptomatik ist nur begrenzt empirisch überprüft. Unter den Materialien finden Sie eine Liste von Trainings, die in Manualform vorliegen und bei denen geringstenfalls Hinweise auf Wirksamkeit vorliegen. Die Durchführung dieser Trainings bedarf einer spezifischen Qualifikation. Eine engmaschige Erfolgskontrolle durch den delegierenden Arzt oder Psychotherapeuten ist besonders indiziert.

Ziele:

  • Verminderung von spezifischen Störungen der Aufmerksamkeit, der Konzentration, der Selbstorganisation oder anderer Beeinträchtigungen von Entwicklungsfunktionen

Maßnahmen:

  • Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Selbstinstruktionstraining
  • Förderung von Selbstorganisation und Selbstmanagement
  • Mitbehandlung komorbider Funktionsstörungen (z.B. Lese-, Rechtschreibfähigkeit, motorische Funktionen, Sprachfunktionen)
  • Anleitung von Eltern und anderen Bezugspersonen in diesen Bereichen

Ergebnis:

  • Beendigung der Therapie, wenn die Symptomatik hinreichend vermindert ist, sich nicht weiter vermindern lässt oder die Beteiligten keine Therapie wünschen
  • Anregung zur Überprüfung der Indikation anderer Therapien, wenn eine behandlungsbedürftige Restsymptomatik besteht oder die Therapie nicht erfolgreich ist

Patientenzentrierte verhaltenstherapeutische Interventionen: Methoden und Materialien

Beispielmaterialien Selbstmanagement:

Digital gestützte Psychotherapie

Digitale Technologien können die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit ADHS sinnvoll ergänzen, insbesondere dann, wenn herkömmliche Therapieangebote nicht ausreichend verfügbar sind oder längere Wartezeiten bestehen. Digitale Interventionen bieten eine flexible, ortsunabhängige Unterstützung und lassen sich zudem in ein multimodales Therapiekonzept integrieren.

Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Applikationen in den App-Stores, jedoch sind viele nicht empirisch überprüft. Die Verwendung von empirisch geprüften Anwendungen wird empfohlen. 

Hinweis:
Digital unterstützte Interventionen stellen keine Alternative zu einer fundierten psychotherapeutischen Behandlung dar, können diese jedoch wirksam unterstützen, besonders als Teil eines multimodalen Gesamtkonzepts. Die Auswahl und Anwendung digitaler Angebote sollte stets fachlich begleitet erfolgen.

Indikation:

Für Kinder im Vor- und Grundschulalter mit ADHS und/oder oppositionellen Verhaltensweisen, insbesondere wenn ein klassisches Elterntraining schwer zugänglich oder ergänzende Unterstützung notwendig ist.

Anlass:

Eltern wünschen sich niedrigschwellige, alltagsnahe Hilfen im Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen, oft begleitend zur Diagnose, zur Vorbereitung oder als Ergänzung zur Therapie.

Ziele:

  • Verbesserung des elterlichen Erziehungsverhaltens
  • Reduktion von ADHS-Symptomen und oppositionellem Verhalten
  • Stärkung familiärer Ressourcen und Entlastung des Familienalltags
  • Förderung positiver Interaktionen im häuslichen Umfeld

Maßnahmen:

  • Strukturiertes Online-Elterntraining mit Modulen zu Psychoedukation, Selbstreflexion und konkreten Verhaltensstrategien
  • Digitale Begleitung bei der Umsetzung im Alltag durch Erinnerungsfunktionen, Feedback-Optionen oder Monitoring
  • Optionale Beratung durch Fachpersonen (z. B. telefonisch oder online)

Mögliche Ergebnisse:

  • Klinisch bedeutsame Verbesserungen der kindlichen Symptomatik und elterlicher Erziehungskompetenzen
  • Reduktion von Konflikten im Familienalltag
  • Hohe Akzeptanz und eigenständige Nutzbarkeit durch Eltern

Methoden und Materialien:

  • Interaktive Lernmodule (Texte, Videos, Aufgaben)
  • Alltagstransferhilfen (z. B. Belohnungssysteme, Problemlösetrainings)
  • Feedback- und Erinnerungsfunktionen zur Implementierung im häuslichen Umfeld

Deutschsprachige empirisch geprüfte digitale Unterstützungsmöglichkeiten:

  • AOK Elterntrainer (kostenfrei)
  • hiToco (kostenpflichtig, Zulassung als Digitale Gesundheitsanwendung wird angestrebt, dann Finanzierung durch Krankenkassen möglich)
  • ADHS KIDS (kostenfrei)

Indikation:

Für Kinder und Jugendliche mit ADHS, insbesondere ab dem Schulalter, zur Unterstützung der Selbstregulation und Therapieintegration.

Anlass:

Ergänzung zur psychotherapeutischen Behandlung, z. B. zur Reflexion des eigenen Verhaltens oder zur Förderung der Motivation und Eigenverantwortung.

Ziele:

  • Verbesserung der Selbstwahrnehmung und Emotionsregulation
  • Förderung von Struktur und Verhaltenskontrolle im Alltag
  • Stärkung der aktiven Beteiligung am Therapieprozess

Maßnahmen:

  • Digitale Tools zur regelmäßigen Stimmungs- und Verhaltensreflexion („Momentary Assessment“)
  • Übungen zur Selbstinstruktion, Alltagsstrukturierung und Impulskontrolle
  • Verstärkungsmechanismen zur Förderung positiven Verhaltens

Ergebnis:

  • Verbesserte therapeutische Mitarbeit und Adhärenz
  • Stärkere Selbstkontrolle und aktive Problemlösekompetenz
  • Besserer Transfer therapeutischer Inhalte in Alltagssituationen (z. B. Schule, Familie)

Methoden und Materialien:

  • Tagebuchfunktionen, Feedbacktools, spielerische Trainingsaufgaben
  • Erinnerungshilfen für therapeutische Übungen
  • Digitale Verstärkersysteme und Alltagscoaching-Elemente

Deutschsprachige empirisch geprüfte digitale Unterstützungsmöglichkeiten:

  • AUTHARK
  • JAY

Pharmakotherapie

Indikation:

  • Primäre Intervention (nach oder parallel zu Beratung, Psychoedukation und Schulung von Patienten und Bezugspersonen) bei starkem Schweregrad der Symptomatik und damit einhergehender starker Funktionseinschränkung und einer hinreichenden Therapie-Compliance für Pharmakotherapie.
  • Sekundäre Intervention (als Kombinationsbehandlung) bei behandlungsbedürftiger Residualsymptomatik bei teilweise erfolgreicher Verhaltenstherapie und einer hinreichenden Therapie-Compliance für ergänzende Pharmakotherapie.
  • Sekundäre Intervention (als Alternativbehandlung) nach erfolgloser Verhaltenstherapie und einer hinreichenden Therapie-Compliance für Pharmakotherapie.
  • Sekundäre Intervention bei mittlerem Schweregrad der Symptomatik, wenn Verhaltenstherapie verweigert wird oder keine hinreichende Therapie-Compliance für Verhaltenstherapie hergestellt werden konnte.

Anlass:

  • Indikation für Pharmakotherapie

Ziele:

  • Überprüfung auf kurzfristige Symptomminderung und potentielle unerwünschte Arzneimittelwirkungen Anpassung und Optimierung der Dosis entsprechend den individuellen Bedingungen (Titrierung)

Maßnahmen:

  • Durchführung notwendiger körperlicher Untersuchungen und Prüfung von Kontraindikationen
  • Feststellung der Ausgangssymptomatik und Identifikation der Zielsymptome, die vermindert werden sollen
  • Beginn der medikamentösen Therapie und Prüfung erster Effekte und unerwünschter Wirkungen Dosisanpassung

Ergebnis:

  • Optimale Dosierung mit optimaler Minderung von Symptomen und Funktionseinschränkungen und bei Bedarf Einleitung ergänzender pharmakologischer oder nicht-pharmakologischer Interventionen Beendigung der medikamentösen Behandlung oder Wechsel zu anderem Medikament

Medikamentöse Einstellung: Methoden und Materialien

Indikation:

  • Primäre Intervention (nach oder parallel zu Beratung, Psychoedukation und Schulung von Patienten und Bezugspersonen) bei starkem Schweregrad der Symptomatik und damit einhergehender starker Funktionseinschränkung und einer hinreichenden Therapie-Compliance für Pharmakotherapie.
  • Sekundäre Intervention (als Kombinationsbehandlung) bei behandlungsbedürftiger Residualsymptomatik bei teilweise erfolgreicher Verhaltenstherapie und einer hinreichenden Therapie-Compliance für ergänzende Pharmakotherapie.
  • Sekundäre Intervention (als Alternativbehandlung) nach erfolgloser Verhaltenstherapie und einer hinreichenden Therapie-Compliance für Pharmakotherapie.
  • Sekundäre Intervention bei mittlerem Schweregrad der Symptomatik, wenn Verhaltenstherapie verweigert wird oder keine hinreichende Therapie-Compliance für Verhaltenstherapie hergestellt werden konnte.

Anlass:

  • Erfolgreiche Einstellung auf eine Medikation

Ziele:

  • Stabilisierung erreichter Behandlungseffekte
  • Verminderung der eventuell neu aufgetretenen Symptomatik
  • Aufrechterhalten der zuverlässigen Medikamenteneinnahme

Maßnahmen:

  • Kontrolluntersuchungen einschließlich Exploration der Eltern, des Patienten und möglichst auch der Lehrer in mindestens 6-monatigem Abstand zur Überprüfung der langfristigen Effekte und potentieller unerwünschter Arzneimittelwirkungen
  • Durchführung von Dosisanpassungen
  • Einleitung und Beendigung möglicher ergänzender Interventionen
  • Auslassversuche etwa alle 12 Monate

Ergebnis:

  • Langfristig optimale Dosierung mit optimaler Minderung von Symptomen und Funktionseinschränkungen und bei Bedarf Einleitung ergänzender pharmakologischer oder nicht-pharmakologischer Interventionen
  • Beendigung der Langzeitbehandlung

Medikamentöse Dauertherapie: Methoden und Materialien